Mitgliederversammlung eines Vereins während der Corona-Pandemie
Das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie wurde zum 28.02.2021 nochmals geändert und ist bis zum 31.12.2021 vorerst gültig (vgl. Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie vom 22.12.2020, BGBl. I Seite 3328).
So bietet die Regelung einige Vereinfachungen für Vereine zur Vereinfachung der Durchführung ihrer Mitgliederversammlungen. Zunächst bleibt der Vorstand – unabhängig von satzungsmäßigen Regelungen zur Amtsdauer – nach § 5 Abs. 1 COVMG auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt.
Zur Durchführung von Mitgliederversammlungen wurden folgende Regelungen getroffen: Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 COVMG kann eine Mitgliederversammlung mithilfe von elektronischen Kommunikationsmitteln durchgeführt werden, § 5 Abs. 2 Nr. 2 bietet die Möglichkeit einer schriftlichen Abgabe der Stimme mittels einer Briefwahl vor der Mitgliederversammlung. Zuletzt können gemäß § 5 Abs. 3 COVMG Beschlüsse auch im so genannten Umlaufverfahren getroffen werden.
Der Vorstand hat damit nach der gesetzlichen Neuregelung mehrere Möglichkeiten, eine Beschlussfassung herbeizuführen:
- Statt der klassischen Präsenzveranstaltung kann er sich für eine virtuelle Mitgliederversammlung entscheiden.
- Zulässig ist auch eine Mischform, das heißt eine Präsenzveranstaltung, an der auch in virtueller Form teilgenommen werden kann.
- Der Vorstand kann – ohne Versammlung – eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren herbeiführen (vgl. Leinenbach/Alvermann: Umlaufbeschlüsse und virtuelle Mitgliederversammlung in Vereinen während Corona, NJW 2020, 2319).
Geregelt ist nunmehr für das Jahr 2021 auch die Frage, ob auf die Durchführung der Mitgliederversammlung grundsätzlich verzichtet werden darf. Die Einberufungspflicht des Vorstandes ist gemäß § § 5 Abs. 2a COVMG ausgesetzt, solange die Mitglieder sich nicht an einem Ort versammeln dürfen und die Durchführung der Mitgliedersammlung im Wege der elektronischen Kommunikation für den Verein oder die Vereinsmitglieder nicht zumutbar ist.
Die Einberufungspflicht bzw. die Pflicht zur Durchführung der Mitgliederversammlung besteht somit dann nicht, wenn erstens aufgrund aktueller Corona-Verordnungen eine Versammlung in Präsenz verboten ist UND zweitens die Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel unzumutbar ist. Für Vorstände bleibt daher trotz der neuen Regelung des § 5 Abs. 2a COVMG unklar, wann eine solche Unzumutbarkeit im Sinne der Regelung vorliegt.
Zur alten Rechtslage ist bislang lediglich eine Entscheidung des OLG München (Beschluss vom 23.11.2020, Az. 31 Wx 405/20) bekannt. Das Gericht hatte ihm Rahmen eines Antragsverfahrens nach § 37 BGB zu prüfen, ob das Verlangen der Einberufung einer außerordentlichen Delegiertenversammlung eines Vereins unter der Annahme rechtsmissbräuchlich sein könnte, dass die Abhaltung der Versammlung aufgrund der derzeitigen Covid-19-Pandemie und der daraus resultierenden behördlichen Einschränkungen als Präsenzveranstaltung möglicherweise nicht oder nur eingeschränkt gestattet ist.
Die Notwendigkeit der Einberufung einer Mitgliederversammlung auch in Zeiten der aktuellen Covid-19-Pandemie wurde vom Gericht jedoch – wenn auch nur mit einer kurzen Begründung - bejaht. Einerseits sind die behördlichen Vorgaben der Bundesländer nicht einheitlich und ändern sich derzeit in kürzesten Zeiträumen, so dass nicht ausgeschlossen ist, dass in absehbarer Zeit die Durchführung einer Delegiertenversammlung auch als Präsenzveranstaltung möglich ist. Andererseits sehen § 5 Abs. 2 und 3 COVMG Abweichungen von den Regelungen des § 32 BGB vor, so dass zum Beispiel auch die Möglichkeit einer virtuellen Versammlung besteht.
Um die demokratische Entscheidungsfindung innerhalb des Vereins nicht über Monate, wenn nicht gar Jahre zu verhindern, wird man an die Unzumutbarkeit der Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung wohl hohe Anforderungen stellen müssen. Die in § 5 COVMG genannten Möglichkeiten sind vielfältig und müssen im Rahmen der Vorstandsentscheidung über die Durchführung der Mitgliederversammlung sorgsam abgewogen werden. Nur wenn die Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung indes mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist, sollte von der Aussetzungsmöglichkeit des § 5 Abs. 2a COVMG Gebrauch gemacht werden.
Die Aussetzung der Einberufungspflicht ist damit nur auf Grundlage einer umfassenden Abwägung und bei kumulativem Vorliegen der nachfolgenden Voraussetzungen in Betracht kommen (MüKoBGB/Leuschner, 8. Aufl. 2021, COVMG § 5 Rn. 19):
- Eine Präsenzversammlung ist wegen der COVID-19-Pandemie unzulässig bzw. unter Berücksichtigung der Mitgliederstruktur mit zu hohen Risiken bzw. unverhältnismäßigem Aufwand verbunden,
- die Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung ist unter Berücksichtigung der Mitgliederstruktur mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden,
- es stehen keine unaufschiebbaren Entscheidungen an, die nicht im Umlaufverfahren getroffen werden könnten,die Amtszeit aller Vorstandsmitglieder besteht unabhängig von § 5 Abs. 1 COVMG oder einer vergleichbaren Satzungsbestimmung bis zur nächsten Mitgliederversammlung fort bzw. wird im Umlaufverfahren verlängert und
- der Vorstand sorgt anderweitig für die hinreichende Information der Mitglieder.
Entscheidend dürfte daher sein, welche konkreten Entscheidungen und Beschlüsse anstehen und ob diese der Vorstand durch die vielfältigen Möglichkeiten des § 5 COVMG nicht doch auf virtuellem Wege mit den Mitgliedern diskutieren und beschließen kann. Hierzu muss er die jeweiligen Möglichkeiten durchspielen und Anhand der Größe des Vereins, der finanziellen Möglichkeiten, der Altersstruktur der Mitglieder und sonstigen relevanten Punkten abwägen, ob und ggf. wie er wichtige Entscheidungen herbeiführen kann.
Ein schlichtes Berufen darauf, Präsenzversammlungen sind verboten und eine virtuelle Versammlung würde zu großen Aufwand hervorrufen, wird diesem Abwägungsprozess jedenfalls nicht genügen.
Der Vorstand läuft damit Gefahr, dass die Mitglieder den Vorstand über § 37 BGB – ggf. auch gerichtlich - verpflichten, eine Mitgliederversammlung einzuberufen. Der Vorstand als Einberufungsorgan macht sich insoweit auch gegenüber dem Verein schadenersatzpflichtig, wenn er die die Einberufungspflicht verletzt (vgl. BeckOK BGB/Schöpflin, 57. Ed. 1.2.2021, BGB § 36 Rn. 5).
Allein aus eigenem Interesse des Vorstands wird diesem zu raten sein, seinen Abwägungsprozess transparent darzulegen, um seine Entscheidung für oder gegen die Durchführung einer entsprechenden – virtuellen – Mitgliederversammlung ausreichend begründen zu können.